Anfechtung
Grundsätzlich ist die Anfechtung von Rechtsgeschäften oder Willenserklärungen nur bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes möglich. Anerkannte Gründe sind Irrtümer aufgrund arglistiger Täuschung oder die in §119 ff BGB genannten Gründe, bzw. Drohung. Eine Anfechtung muß fristgerecht gegenüber dem zutreffenden Anfechtungsgegner erklärt werden. Hierbei muß der Anfechtende erklären, dass er mit dem Rechtsgeschäft nicht einverstanden ist. Die Konsequenz einer wirksamen Anfechtung ist die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes von Anfang an.
Bereits erbrachte Leistungen, z.B. in Form von Geldleistungen, müssen vom Anfechtungsgegner nach Bereicherungsrecht zurückerstattet werden. Im Rahmen des Forderungsmanagements ist die Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens von Bedeutung, die sich auf Rechtshandlungen eines Schuldners bezieht. Grundlage ist das Anfechtungsgesetz in der Neufassung von 1994. Geschützt werden soll hierdurch der Gläubiger, wenn die Befriedigung seiner Ansprüche durch Vermögensverschiebung des Schuldners unmöglich gemacht wurde.
Anfechtungsberechtigt ist, wer einen vollstreckbaren Schuldtitel hat und im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung nicht befriedigt wurde. Anfechtbar sind insbesondere: Gläubigerbenachteiligungen durch entsprechende Rechtshandlungen, sowie unentgeltliche Verfügungen des Schuldners. Dabei sind Fristen und Zeiträume zu beachten.
1. Anfechtung von Willenserklärungen (nach §§ 119 ff. BGB):
a) V.a. kann ein Vertrag wegen Irrtums, Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten werden. Die Anfechtung erfolgt i.d.R. durch formfreie Erklärung gegenüber dem anderen Teil (§ 143 BGB). Wenn ein Anfechtungsgrund vorliegt, wird das angefochtene Geschäft rückwirkend vernichtet (§ 142 BGB). Das Anfechtungsrecht geht durch Bestätigung des Geschäfts verloren (§ 144 BGB).
b) Für Willenserklärungen in einem Testament gelten weitergehende Anfechtungsmöglichkeiten. Für die Anfechtung reicht hier jeder Irrtum im Motiv des Erblassers bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung aus (§§ 2078 ff. BGB).
2. Einzelfälle:
a) Die Anfechtung des Arbeitsvertrages hat nach der Rechtsprechung die Wirkung einer außerordentlichen Kündigung; er wird i.d.R. nicht rückwirkend vernichtet.
Unterschiede zur Kündigung:
(1) Gründe, die zur Anfechtung berechtigen;
(2) Ausschlussfristen (§§ 121, 124 BGB), an die die Anfechtung gebunden ist;
(3) Nicht durch Schutzvorschriften zugunsten des Arbeitnehmers beschränkt.
Praktische Bedeutung: In der Praxis kommt eine Anfechtung des Arbeitsvertrags dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss falsche Angaben gemacht hat (Offenbarungspflicht; Personalfragebogen).
b) Die Anmeldung zum Handelsregister unterliegt nicht der Anfechtung, solange eine Eintragung noch nicht erfolgt ist, kann sie von dem Anmelder zurückgenommen oder widerrufen werden.
c) Das durch Bestechung (Schmiergeld) eines Handlungsgehilfen zustande gekommene Rechtsgeschäft ist für den Unternehmer, in dessen Betrieb der Handlungsgehilfe tätig ist, anfechtbar, wenn dieser von dem Angebot eines Schmiergeldes keine Mitteilung gemacht hat.
d) Der Gesellschaftsvertrag unterliegt wie jeder andere Vertrag an sich der Anfechtung. Sie ist aber bei der in Vollzug gesetzten Gesellschaft weitgehend ausgeschlossen oder in ihren Wirkungen eingeschränkt. Auch Stimmabgaben bei Beschlussfassung, Feststellung der Jahresbilanz und andere innerhalb des Gesellschaftsverhältnisses abgegebene Erklärungen können u.U. angefochten werden.
e) Anfechtung eines Versicherungsvertrags.
f) Beschlüsse der Hauptversammlung der AG können binnen eines Monats seit Beschlussfassung durch Klage bei dem Landgericht des Sitzes der Gesellschaft angefochten werden (§ 246 AktG). Anfechtungsberechtigt sind u.a. der in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, der gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat, und der zu Unrecht nicht zugelassene bzw. nicht rechtzeitig berufene Aktionär (§ 245 AktG). Die Klage kann darauf gestützt werden,
(1) Dass der angefochtene Beschluss auf einer Verletzung des Gesetzes oder der Satzung beruht, z.B. auch auf Stimmrechtsausübung zwecks Erlangung von Sondervorteilen (§ 243 AktG);
(2) Wenn weniger als 4 Prozent Dividende gezahlt werden, auch dann, wenn die Hauptversammlung aus dem Bilanzgewinn Beträge in Rücklage stellt, die nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen sind, obwohl die Einstellung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht notwendig ist, um die Lebens- und Widerstandsfähigkeit der AG für einen hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Notwendigkeit übersehbaren Zeitraum zu sichern; dabei müssen die Anteile der klagenden Aktionäre 5 Prozent des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 500.000 Euro erreichen (§ 254 AktG). Den Streitwert bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände, v.a. der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Macht eine Partei glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach diesem Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, kann das Gericht anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung der Prozesskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwertes bemisst, sog. gespaltener Streitwert. Der klagende Aktionär kann u.U. gegenüber der beklagten AG auf Schadensersatz nach § 826 BGB haften, wenn er gegen einen gefassten Hauptversammlungsbeschluss rechtsmissbräuchlich Anfechtungsklage erhebt (vgl. OLG Frankfurt a.M., NZG 2009, 222).
g) Anfechtung einer Betriebsratswahl: Betriebsrat.